Manche Tage beginnen mit einem unwohlen Gefühl. Meistens schon direkt nach dem Aufwachen. Da ist der erste Gedanke: Ach je, heute ist es so einer. Einer von diesen gebrauchten Tagen.
Am Liebsten möchte ich liegenbleiben nach dem unliebsamen Wecker klingeln. Gebrauchte Tage starten holprig. Wir stolpern in den Tag hinein. Anders als an gewöhnlichen Tagen scheint der Wurm gleich morgens drin zu stecken. Der Kaffee kippt daneben, die Bluse ist doch nicht gebügelt, die zweite Socke nicht auffindbar.
Gebrauchte Tage zeichnen sich durch das Gefühl aus, so überhaupt nicht in die Gänge zu kommen; dem begonnenen Tag nicht hinterherzukommen. Einfachste Dinge gehen schief, die Ampeln sind selbstverständlich rot, der Joghurt geschimmelt und der Tank leer. Hilflos sehen wir dem Tag zu, wie er uns scheinbar durch die Finger rinnt. Der Tag ist gebraucht.
An gebrauchten Tagen läuft das Meiste schief oder zumindest nicht so, wie es soll. Gebrauchten Tagen sagt man nach, dass sie ihr gesamtes Potential an guten Momenten bereits benutzt haben. Das kennen wir vermutlich alle ein wenig. Tage, an denen wir uns auf keinem Foto gut gefallen und erst recht nicht im Spiegel. Tage, an denen wir uns gern verstecken wollen vor der Welt da draußen und mitleidig mit uns selbst in unseren Kissen versinken möchten.
Dabei ist Gebrauchtes ja eigentlich „in“. Warum also nicht was anderes draus machen?
Eine Runde um den Block gehen mit Kopfhörern und Lieblingsmusik? Die Malsachen auspacken und hinter verschlossenen Türen die Farben auf´s Papier bringen? Die Yogamatte ausrollen und endlich mal die Langversion der Yogasession absolvieren? Es ist ja Zeit an so einem gebrauchten Tag und kommt ja schließlich nicht drauf an, irgendwas effektiv zu tun. Den Tee in ganz langsamen Schlucken trinken? Die Eltern mal wieder anrufen und zuhören, wie es ihnen geht? Im Bürochaos Ordnung schaffen?
Es gibt unzählige Dinge, für die sich gebrauchte Tage super eignen. Ich führe mittlerweile eine ganze Liste an Aktivitäten für solche Tage. Davon suche ich mir eine Sache aus, die ich dann mache. Oft fühlt es sich dann schon etwas anders an. Vielleicht bilde ich es mir aber auch nur ein. In kleinen Schritten durch den gebrauchten Tag zu wandeln, kann etwas genüssliches haben, etwas Achtsames. Und irgendwie wissen wir ja insgeheim auch, dass der Tag nach so einem gebrauchten Tag wieder gut mit uns ist.