Archiv für den Monat: November 2021

Zeitvertreib

Wie spät ist es?

Die Zeit, die ist ein sonderbares Ding.
Wenn man so hinlebt, ist sie rein gar nichts.
Aber dann auf einmal,
da spürt man nichts als sie:
Sie ist um uns herum,
sie ist auch in uns drinnen.
In den Gesichtern rieselt sie,
im Spiegel da rieselt sie,
in meinen Schläfen fliesst sie.
Und zwischen mir und dir da fliesst sie wieder.
Lautlos, wie eine Sanduhr.
Manchmal hör ich sie fliessen unaufhaltsam.
Manchmal steh ich auf, mitten in der Nacht und
lass die Uhren alle stehen.
Allein man muss sich auch vor ihr nicht fürchten.
Auch sie ist ein Geschöpf des Vaters. Der uns
alle geschaffen hat.
Hugo von Hofmannsthal (1874 – 1929)

Wie spät ist es?

Was ist Zeit eigentlich? Hat wirklich alles seine Zeit? In wessen Händen steht meine Zeit? Gestern war Ewigkeitssonntag. Ewigkeit? Heißt es nicht, nichts ist für die Ewigkeit? Mascha Kaleko schrieb in einem ihrer Gedichte, das die Zeit still steht und wir es sind, die enteilen. Wer von uns würde sich nicht freuen über mehr Zeit? Zeit für sich, für die wichtigen Menschen in unserem Leben. Zeit für Stille. Wir wollen sie gerne kontrollieren, im Griff haben, managen. Ganze Bücherregale voller Ratgeber zum optimalen Umgang und Eintakten unseres Lebens in den Rhythmus der Uhr. Uhren gibt es viele, an Kirchtürmen, an unseren Handgelenken, auf den Computern und Anzeigetafeln. Überall können wir sehen, ob wir noch „in der Zeit“ liegen, den Bus bekommen, pünktlich sind oder wie lange es noch dauert. Warten aushalten. Zeit anhalten und Zeit vorantreiben. Meistens vergehen die schönen Momente zu schnell und die unangenehmen dauern viel zu lang. Unsere Geschichten überdauern den Moment. Rückblickend erst, verstehen wir oft, dass manches eben seine Zeit brauchte. Dass wir Zeit brauchten.

ewigkeiten

Die ganze Welt und ein paar neue Schlittschuhe

Die ganze Welt und ein paar neue Schlittschuhe

Ewigkeit

Wiedergefunden
Ist sie – die Ewigkeit
Ist das Meer versunken
Mit dem letzten Schein

Wachsame Seele
Murmeln wir es:
Die Nacht ist Leere
Der Tag verbrennt.

Menschliches Lob
Gemeinsamer Geist
Da machst du dich los
Und fliegst bereits.

Denn nur von euch
Glosend wie Seide
Steigt auf die Pflicht
Ohne uns zu befreien.

Da keine Hoffnung
Kein erster Strich
Schuld mit Geduld
Die Qual ist gewiß.

Wiedergefunden
Ist sie – die Ewigkeit
Ist das Meer versunken
Mit dem letzten Schein.

Arthur Rimbaud

mannfolkparkering

Eine Bank

Ausruhplatz in Skabu

Eine Bank

Eine Bank.
Gott sei Dank.
Sie lässt uns sitzen, sie lässt uns anhalten.
Ganz kurz nur ausruhen vor dem Weitergehen.
Wir schleppen oft so viel Gepäck mit uns herum.
Das wird manchmal schwer.
Also draufsetzen und geschehen lassen.
Die Welt im Anhalten neu betrachten.
Durchschnaufen ist ausdrücklich erlaubt.

Im Anhalten geben wir unseren Augen Zeit sich mal in Ruhe umzusehen.
Wo sind wir hier? Wohin wandert mein Blick?
Im Anhalten geben wir uns Zeit in uns zu spüren:
Wie geht es mir? Kann ich gut mit mir hier sein?

Eine Einkehr in diesen Moment.
Nachher ist er schon vorbei und vorhin hat es ihn noch nicht gegeben.
Die Füße baumeln. Die Luft einatmen.
Es gibt auch mal nichts zu tun.

Im Anhalten geben wir unseren Ohren Zeit zu lauschen.
Auf Vogelgezwitscher, Blätter im Wind, Stimmen? Wer ist alles hier mit mir?
Im Anhalten geben wir unserer Nase Zeit die Umgebung zu beschnuppern.
Welcher Duft liegt in der Luft? Wie fühlt sie sich in der Nase an? Warm oder kalt?

Die Bank.
Welch Dank, wenn sie auf dem Weg steht
und zum Anhalten einlädt.
Die Welt braucht definitiv mehr Bänke.