Langsamkeit ist heutzutage fast ungehörig. Es sei denn, man bucht sich einen Achtsamkeitskurs. Dann ist es wunderbar und man beschließt künftig ganz viel davon in den Alltag hineinzubauen. Das funktioniert meist nicht dauerhaft.
Vollgestopfte To-do-Listen
Jede Lücke im Kalender wird gefüllt, um am Ende des Tages das Gefühl zu haben, nicht genug geschafft zu haben. Geschwindigkeit beim Gehen, Essen, Arbeiten, Auto und sogar Fahrrad fahren. Im Zeitalter der Geschwindigkeit heben wir oft vor, dass wir den Gang rausnehmen wollen. Doch die Alltagserfahrung zeigt sich anders. Im Bus, der Bahn, im Auto, auf dem E-Bike – gerne lassen wir unseren Körper mit unterstützter Geschwindigkeit durch den Tag verbringen. Angetrieben von Motoren und Batterien versuchen wir Nähe zu erreichen. Denn alles soll und muss erreichbar sein. Müssten wir alle unsere Wege zu Fuß zurücklegen, wäre so mancher Kontakt keiner. Die Distanz hätte jeden Kontakt unterbunden.
Langsames Gehen statt Eilen – ein Experiment
Stellen wir uns vor, wir müssten unsere täglichen Wege komplett zu Fuß zurücklegen. So mancher Job wäre nicht machbar. Als Spaziergänger, als Geher würden wir den Tag anders einteilen und gleichzeitig nicht. Der Weg würde unsere Zeit bestimmen. Die Kleiderauswahl wäre praktisch: gute Schuhe, ein Rucksack, leichtes Gepäck, etwas zu Trinken, Proviant.
Beim Gehen werden wir langsam, entziehen uns der schnellen Welt. Die Perspektive wechselt. Durch die Langsamkeit rücken wir der unmittelbaren Welt wieder näher. Spüren Unebenheiten des Weges, den steinigen Weg, fühlen unser Herz angestrengt, atmen frische Luft. Wir bewegen uns aus unserer eigenen Kraft, die zu erspüren guttut. Gedanken purzeln wild durch den Kopf, sprechen vor sich hin oder in Diskussion miteinander. Irgendwann auf dem Weg werden sie leiser. Ein Rauschgefühl stellt sich ein. Wir entdecken die Welt ein bisschen neu. Kleine Blümchen am Wegrand. Wandermarkierungen, Schilder, schief stehende Bänke. Wir stoßen auf Türen und Blühendes an ungewöhnlichen Orten. Sehen den Himmel mit seinen Formen, die sich ständig verändern. Das Abenteuer Langsamkeit lässt uns den Kontakt mit der Welt verlieren und neu knüpfen.