„Ich glaube an das Alter, lieber Freund, Arbeiten und Altwerden, das ist es, was das Leben von uns erwartet.
Und dann eines Tages alt sein und noch lange nicht alles verstehen, nein, aber anfangen, aber lieben, aber ahnen, aber zusammenhängen mit Fernem und Unsagbarem, bis in die Sterne hinein.“
Rainer Maria Rilke schrieb diese Zeilen an seinen Freund Arthur Holitscher am 13. Dezember 1905. Da war er grad mal 30 Jahre alt. Und er entwarf seine Vorstellung des Altseins. Ein positiver Blick! Auch im Alter – wann auch unter das beginnen mag- neugierig zu sein, wissensdurstig: Aber anfangen, aber lieben, aber ahnen…
neu anfangen – Und das immer wieder. Anders auf Dinge blicken. Zulassen, dass Blickwinkel sich ändern und eröffnen und wir unsere Welt neu betrachten.
lieben – Auch das. Warum nicht? Erfahrungen haben uns Glück, Lust und Schmerz gelehrt. Was wird uns Liebe bedeuten, wenn wir älter sind? Wie blicken wir zurück auf unser Liebesleben? Wovon hätten wir gerne mehr gehabt? Was deutlicher formuliert? Wem unsere Gefühle (noch viel deutlicher) gestanden?
ahnen – Was können wir ahnen? Was sind unsere Fragen, auf die wie bisher keine Antwort gefunden haben? Fangen wir an, zu ahnen, was wir uns gefragt haben?
Es ist eine vage Vorstellung vom Altsein. Ein Blick, der noch reichlich unscharf ist. Und Fern. So fern wie ein Blick in den Sternenhimmel. Ein Eintauchen in die unbekannte Dunkelheit in der Hoffnung, dort ein Licht zu finden. Wir hängen zusammen mit dem Unsagbaren, mit dem Blick aus unserem jetzigen Leben auf eine ferne Zukunft.
Nichtwissens, was sein wird. Nur eine Ahnung, was sein könnte. Vielleicht hebt es unseren Blick im Alltag, hilft uns, weiterzugehen. Und eine Idee zu bekommen von der Ferne, unserem künftigen ich und ihm liebend entgegenzustreben.